Mittwoch, 18. Mai 2011

Investoren und Patriarchen (Tageszeitung Junge Welt)

Vorabdruck. Über die Kapitalstrukturen in der deutschen Medienwirtschaft. Teil II und Schluß: Radio, Fernsehen, Internet

Von Gert Hautsch
Das Anfang Juni erscheinende Heft 86 von Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung hat den Themenschwerpunkt »Medien- und Meinungsmacht«. Wir veröffentlichen daraus vorab, um einige Tabellen gekürzt, eine Analyse von Gert Hautsch zur Macht- und Kapitalkonzentration im Medienbereich der BRD. Im gestern erschienenen ersten Teil wurde die Situation der bundesdeutschen Zeitungs- und Buchverlage dargestellt.
Die Zeitschrift Z ist zu beziehen über redaktion@zme-net.de, Einzelheft 10 Euro (www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de)
Die Märkte für Funkmedien sind gespalten. Es gibt die öffentlich-rechtlichen Anstalten und seit knapp 30 Jahren private Sender und Senderketten. Beim Hörfunk teilen sich die ARD-Kanäle und die Privaten die Reichweite jeweils zur Hälfte, von den Brutto­werbeerlösen gehen 70 Prozent an die Privatsender. Wegen gesetzlicher Regelungen (die in den Bundesländern gerade stark gelockert werden) gibt es bisher kaum Radiosender, die sich vollständig oder mehrheitlich im Besitz eines Unternehmens befinden. Das bedeutet aber nicht, daß die großen Medienkonzerne sich dieses Geschäft entgehen ließen (Tab. 1). Einige Namen finden sich auch auf diesem Markt an vorderster Stelle, andere (z.B. die WAZ-Gruppe oder MDS) sind beim Regional- und Lokalradio stark mit dabei.

Auf dem finanziell und politisch gewichtigeren Fernsehmarkt begrenzen ARD und ZDF ebenfalls die privatkapitalistische Macht. Etwa 43 Prozent aller Zuschauer schalten öffentlich-rechtliche Kanäle ein. Beim jüngeren Publikum finden sie allerdings ein deutlich schwächeres Interesse.

Der private Fernsehsektor ist die Mediensparte mit der stärksten Monopolisierung. Zwei Senderketten liefern 82 Prozent des Programms: Die zum Bertelsmann-Konzern gehörende RTL-Gruppe und die ProSiebenSat.1-Gruppe. Letztere gehörte bis 2002 zum Imperium des Leo Kirch, wurde dann an wechselnde Finanzinvestoren verschoben und soll 2011 erneut verkauft werden. Der Rest wird von einer Vielzahl von Spartenkanälen bedient. Im Jahr 2009 hat es in Deutschland 72 private Fernsehsender mit bundesweiter Ausstrahlung und 177 mit regionaler oder lokaler Reichweite gegeben.

Wirtschaftlich genauso bedeutsam wie die Reichweite ist der Zugriff auf die Werbegelder, denn sie bilden die Haupteinnahmequelle (etwa 85 Prozent) beim »Free TV«. Von jedem Euro, der 2009 brutto für Reklamespots ausgegeben worden ist, wanderten 84 Cent auf die Konten der beiden Marktführer (Tab.2).

Ausländisches Kapital

Seit einigen Jahren steigern die kleineren Privatsender ihren Anteil am Werbekuchen – zwischen 2005 und 2009 um 2,5 Prozentpunkte. Erstaunlich ist auch, daß die RTL-Gruppe zwar höhere Zuschauer-Marktanteile als die P7S1-Gruppe erreicht, daß sie beim Anteil an den Werbeerlösen aber meistens von ihrer Konkurrentin abgehängt wird.

Auf dem Fernsehsektor spielt ausländisches Kapital eine wesentliche Rolle. Nicht nur die ProSiebenSat.1-Gruppe befindet sich im Eigentum angloamerikanischer Finanzinvestoren, auch US-Medienkonzerne betreiben deutsches Fernsehen. Disney hält 50 Prozent an Super RTL, Viacom strahlt MTV, Viva, Nick und Comedy Central aus, QVC gehört Liberty Global und Das Vierte einem Luxemburger Investor. Die Kabelnetzbetreiber, die auch Bezahlfernsehen anbieten, gehören ebenfalls Liberty Global oder Finanzinvestoren.

Das Bezahlfernsehen steht vorwiegend unter ausländischer Dominanz. Auf diesem Segment laufen derzeit etwa 5,5 Millionen Abonnements. Marktführer ist Sky (vormals Premiere) mit 2,7 Millionen Kunden; dieser Konzern gehört zu 50 Prozent dem angloamerikanischen Medienmogul Rupert Murdoch. An zweiter Stelle folgt die Deutsche Telekom mit 1,1 Millionen Abonnenten im Internetfernsehen. Der Rest wird von den Angeboten der Kabelnetzbetreiber abgedeckt. Bezahlfernsehen ist in Deutschland defizitär. Der Marktführer Sky hat in den 20 Jahren seiner Existenz nur Verluste produziert. Trotzdem wird dieses Feld weiter eifrig beackert.

Ein wichtiger Sektor ist die Fernsehproduktion. Hier steht der Bertelsmann-Konzern mit seiner Tochter UFA an der Spitze. Sie lieferte 2006 (neuere Zahlen liegen nicht vor) 14 Prozent der gesamten Sendezeit, die in Deutschland hergestellt worden ist, und erreichte 2008 einen Umsatz von 320 Millionen Euro. Eine Besonderheit in diesem Segment sind privatkapitalistische Tochterkonzerne der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die beiden größten ARD-Konzerne, Studio Hamburg und Bavaria Film, erreichten 280 bzw. 224 Millionen Euro Umsatz und stehen damit weit oben in der Rangliste. Auch ZDF-Enterprises nimmt einen der vorderen Plätze ein.

Internet: Rasche Veränderungen

Die Kapitalkonzentration bei den Internetanbietern ist kaum erforscht. Das Medium ist weltweit ausgerichtet und unterliegt raschen, sprunghaften Veränderungen. Das Sozialnetzwerk Facebook beispielsweise spielte vor eineinhalb Jahren noch keine nennenswerte Rolle in Deutschland, inzwischen hat es alle Konkurrenten überholt. Gleichzeitig erlebt der Vorläufer Myspace, den Rupert Murdoch 2005 für 580 Millionen Dollar gekauft hat, einen Absturz.

In manchen Segmenten der Internetwirtschaft sind US-Konzerne übermächtig. Bei den Suchmaschinen z. B. laufen 95 Prozent aller Anfragen in Deutschland über Google. So sammelt dieser Konzern rund zwei Drittel aller Werbegelder im Internet ein. Auf anderen Onlinemärkten sind deutsche Medienkonzerne stark. Spitzenreiter bei den allgemeinen Angeboten ist die Deutsche Telekom, deren Website auf vielen Rechnern als Startseite gespeichert ist. Es folgen der Internethändler eBay, die United Internet AG, die VG von Holtzbrinck, Yahoo und Microsoft.

Die meisten Internetportale gehören zu den Segmenten elektronischer Handel, Marktplätze, Spiele oder Sozialnetzwerke. Medienangebote im eigentlichen Sinn, auf denen redaktionelle Inhalte zur Verfügung gestellt werden, sind das Terrain von Medienkonzernen. Axel Springer findet sich auch hier an führender Stelle (Tab. 3).

Bedeutsam für die Machtstrukturen auf den Onlinemärkten sind die Vermarkter. Sie sammeln für die einzelnen Portale die Werbegelder ein und verdienen dabei. Auch hier stehen die großen Medienkonzerne ganz vorne. In der Spitzengruppe gibt es rasche Verschiebungen: United Internet lag 2008 noch an der Spitze und ist seither auf Platz fünf abgerutscht. Statt dessen ist die Deutsche Telekom aufgestiegen, wird aber seit Anfang 2010 von Burda bedrängt.

Die Medienunternehmen sind immer noch auf der Suche nach erfolgversprechenden Geschäftsmodellen im Internet. Ende der neunziger Jahre hatte es einen ersten Hype gegeben. Fast jeder Medienkonzern legte sich damals eine eigene Multimedia-Abteilung zu. Man kaufte Startup-Firmen, ohne sich über deren Marktchancen große Gedanken zu machen. Nachdem im Spätsommer 2000 die Blase geplatzt war, schwand das Interesse. Viele der teuer eingekauften Firmen wurden liquidiert, eingestampft oder abgestoßen, die Geschäftsbereiche aufgelöst.

Seit etwa 2005 ist der Aufstieg des Web 2.0 zu beobachten, bei dem die Nutzer selber Texte, Bilder und Videos ins Netz stellen und sich untereinander verknüpfen können. Wieder wurden für zum Teil abenteuerliche Summen Onlinefirmen, die oft nur wenige Monate alt waren und außer einer zündenden Idee kaum Substanz zu bieten hatten, gekauft. Holtzbrinck zahlte z.B. 2007 für das Studentennetzwerk »StudiVZ« 85 Millionen Euro. Das Portal hat erstmals im dritten Quartal 2010 einen Gewinn gemeldet. Die Welle von Aufkäufen hält an. Zwischen 2007 und 2010 sind von deutschen Medienunternehmen mehr als 200 Onlinefirmen ganz oder teilweise übernommen worden.

Nicht alle Medienkonzerne reiten auf dieser Welle mit. Auffällig zurückhaltend ist Bauer Media; auch die ProSiebenSat.1-Gruppe agiert vorsichtig. Bertelsmann hatte sich 1999/2000 sehr weit vorgewagt und mehrere Bauchlandungen erlebt (Pixelpark, Lycos Europe), hält sich aber alle Türen offen. Holtzbrinck, Burda und Axel Springer engagieren sich am stärksten. Die Masse der Erwerbungen betrifft Portale aus medienfernen Bereichen (Handel, Dienstleistungen, Netzwerke). Dadurch verschiebt sich der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit in den Medienkonzernen. Springer und Burda erzielen schon mehr als ein Viertel ihres Umsatzes online, den größten Teil davon auf medienfernen Geschäftsfeldern. Holtzbrinck ist gerade dabei, seine Zeitungen zu verkaufen, um Geld für Akquisen im Internet zu mobilisieren.

Stabile Strukturen

Meinungen und politische Einstellungen können von den Massenmedien zwar nicht gemacht, aber wesentlich beeinflußt werden. Deshalb ist der Befund über die Strukturen auf den deutschen Medienmärkten bedrückend: Der Bertelsmann-Konzern ist die Nummer eins beim Privatfernsehen, bei der Fernsehproduktion und bei Belletristik, er gibt die Financial Times und den Stern heraus und besitzt 25 Prozent am Spiegel. Der Springer-Konzern verkauft 80 Prozent der Boulevardzeitungen, ist der führende Zeitungsverlag, einer der Marktführer bei Zeitschriften und sehr erfolgreich bei Internet-Nachrichtenportalen. Anfang 2006 wollte er die ProSiebenSat.1-Fernsehkette übernehmen, was von der Politik gewollt, von der Kartellaufsicht aber verhindert wurde. Auf allen wichtigen Medienmärkten wird ein Großteil der Nachfrage von einigen wenigen Anbietern gedeckt. Der größte Teil der Medienunternehmen gehört Privatpersonen und steht unter deren direktem wirtschaftlichen und politischen Einfluß – auch dann, wenn es sich um international agierende Konzerne handelt.

Diese Strukturen sind seit Jahrzehnten über alle Krisen hinweg stabil geblieben. Die größte Erschütterung war der Zusammenbruch des Kirch-Imperiums 2002. Damit verschwand der zweitgrößte Konzern vom Markt. Im Ergebnis entstanden zwei TV-Konzerne (ProSiebenSat.1 und Premiere/Sky). Kirchs 40-Prozent-Anteil am Axel-Springer-Konzern ging auf dem Umweg über die Deutsche Bank an die Verlegererbin Friede Springer, die sich so die Aktienmehrheit sicherte. Die Kirch-Pleite bewirkte eine gewisse Dezentralisation des Kapitals.

Im selben Jahr 2002 wurden bei drei führenden internationalen Medienkonzernen die Chefs gefeuert: Robert Pittman bei AOL/Time Warner, Jean-Marie Messier bei Vivendi und Thomas Middelhoff bei Bertelsmann. Pittman und Messier hatten 92 bzw. 23 Milliarden Dollar Verluste eingefahren, Middelhoff wollte seinen Konzern gegen den Willen des Patriarchen Reinhard Mohn an die Börse bringen. Bei Axel Springer war im Jahr zuvor der Vorstandschef Gustav Fischer entsorgt worden, nachdem er den ersten Verlustabschluß der Verlagsgeschichte abgeliefert hatte.

Mit Namen wie Pittman, Middelhoff & Co. war das Konzept des »integrierten Medienkonzerns« verbunden, das zu diesen Zeiten gerade beerdigt wurde. Die Idee war simpel: Ein und derselbe »Content« sollte in möglichst vielen Mediensparten (TV, Zeitungen, Magazine, Bücher, Film, Entertainment, Internet) verwurstet und zu Geld gemacht werden, wobei idealerweise die verschiedenen Sparten füreinander Reklame machen. Die Zauberworte hießen »Synergieeffekte« und »Verwertungsketten«. Sie verloren zu Beginn des neuen Jahrzehnts ihren Zauber, weil sich herausstellte, daß die Koordination der Sektoren selten gelang und die Kompetenz fehlte, um überall erfolgreich zu sein.

Deshalb fingen zu dieser Zeit die Medienkonzerne an, aus bestimmten Geschäftsfeldern wieder auszusteigen. Bertelsmann verabschiedete sich von den Fachverlagen, dem Sportrechtehandel, dem Musikgeschäft und dem Großteil seiner Zeitungen, Axel Springer vom Buchgeschäft und der Fernsehproduktion, Holtzbrinck von seinen Radio- und Fernsehsendern. Im Ergebnis beschränken sich derzeit die Medienkonzerne auf wenige Sparten. Nur Bertelsmann spielt immer noch auf vielen Feldern.

In Familienbesitz

Gleichzeitig wurden die Schutzmauern nach außen verteidigt. Branchenfremdes Kapital spielt so gut wie keine Rolle in der deutschen Medienwirtschaft. Versuche aus der Peripherie (Deutsche Telekom beim Bezahlfernsehen, Deutsche Post bei Werbeblättern) dürften begrenzt bleiben. Umgekehrt waren auch Investitionen von Medienunternehmen auf fremden Märkten meist erfolglos. Den größten Flop erlebte Axel Springer Ende 2007 mit dem Postdienstleister PIN und einem Verlust von 600 Millionen Euro.

Der Drang an die Börse ist nach der geplatzten Blase 2000 ausgeblieben. Danach hat es zwar einige Börsengänge gegeben (der erstaunlichste war der des Milliardengrabs Premiere 2005), aber von einem Trend kann keine Rede sein. Bertelsmann hat sich 2006 sogar einen Kraftakt zugemutet, um einen drohenden Börsengang abzuwenden. 25 Prozent der Aktien hatten bei einem belgischen Investor gelegen, der sie zu verkaufen gedachte. Die Familie Mohn wollte das unbedingt verhindern und mobilisierte 4,5 Milliarden Euro, um die Anteile zurückzukaufen.

Ausländische Konzerne besetzen in der Buchsparte (Bonnier, Egmont) und beim Bezahlfernsehen (Murdoch) Plätze in der Spitzengruppe. Ansonsten sind sie im Mittelfeld unterwegs (Zeitschriften, Fernsehen, Hörfunk, Filmproduktion). Auch Finanzinvestoren haben bisher keine prägende Rolle gespielt. Meistens kamen sie dort zum Zuge, wo sie Notsituationen ausnutzen konnten. Das galt nach der Kirch-Pleite, als Käufer für die Fernsehketten (P7S1, Premiere) gesucht wurden. Das gleiche traf bei den Kabelnetzen zu, die die Deutsche Telekom bis 2003 auf Druck der EU-Kommission verkaufen mußte.

Typisch für die Verfassung deutscher Medienunternehmen und -konzerne ist weiterhin das Familienunternehmen (Tab. 4). Im Verlauf von 2010 ist in etlichen davon die Nachfolge geregelt worden, weil die bisherigen Patriarchen in die Jahre gekommen sind. Das galt bei Bertelsmann, Bauer, Burda, MDS und der Ganske-Verlagsgruppe. In allen Fällen wurden Familienmitglieder der folgenden Generation als künftige Unternehmensführer eingeführt.

Ausnahmen als Eigentümer sind die katholische Kirche und die Sparkassen – und die SPD. Letztere unterhält mit ihrer Medienholding DDVG einen respektablen Konzern, der ihr 2009 rund zehn Millionen Euro Gewinn in die Parteikasse gespült hat. Drei Konzerne unter den zwanzig größten gehören Finanzinvestoren, an zwei halten personengeführte ausländische Konzerne die Mehrheit.

Auch wenn die Strukturen an der Spitze der Medienwirtschaft fest gemauert zu sein scheinen, so dürfte das doch nicht so bleiben. Als größte Herausforderung gelten die Digitalisierung und das Internet. Beide werden schon mittelfristig die Verwertungsbedingungen für das Kapital in allen Mediensparten verändern und neue Kapitalgruppen zum Zug bringen.

Die Zeitungen leiden darunter, daß ein wachsender Teil der Rubrikenanzeigen ins Internet abgewandert ist. Mit den neuen Tablet-Rechnern und Smartphones wird sich möglicherweise auch der elektronische Konsum von Zeitungen ausbreiten (die bisherigen »E-Papers« waren zu wenig leserfreundlich). Ob sich damit Geld verdienen lassen wird, muß sich erst noch zeigen. Bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen sinkt das Interesse an gedruckten Zeitungen deutlich.

Für die Zeitschriften gilt zumindest bei bestimmten Segmenten ähnliches. Programmzeitschriften beispielsweise erleiden Auflagenverluste, weil sich elektronische Programmführer und entsprechende Anwendungen auf Handys durchsetzen. Für jüngere Menschen sind Sozialnetzwerke reizvoller als gedruckte Magazine.

Entwicklung offen

Fernsehen wird ab 2012 nur noch digital ausgestrahlt. Damit wird die Zahl der Kanäle vervielfacht, die Zahl der möglichen Programme tendiert gegen unendlich. Der technische Betrieb von Sendern wird billiger. Die Zuschauer können sich Filme auf Abruf auf den Bildschirm holen. Die bisherigen Vollprogramme verlören an Bedeutung gegenüber Spartenkanälen. Davon wären die großen Senderketten betroffen. Außerdem ist das herkömmliche Fernsehen womöglich gar nicht die Technik der Zukunft, sondern wird vom Internetfernsehen (IP-TV) verdrängt.

Musik- und Filmverlage bzw. -produzenten stöhnen über kriminelle Tauschbörsen im Internet. Sie haben weltweit deutliche Umsatzeinbußen erlitten. Wieviel davon auf das Konto von Raubkopien und illegalen Ladungen geht, ist zwar umstritten, nicht aber der Umstand als solcher. Eine tragfähige Strategie, wie damit umzugehen ist, gibt es nicht.

Bei den Büchern erfolgt gerade die Markt­einführung der elektronischen Lesegeräte (»E-Books«). Das wird den Markt umkrempeln: Literarische Werke müssen nicht mehr gedruckt, sondern können als Datei heruntergeladen werden. Dadurch wird – wie bei Musik und Filmen– das Problem der Raubkopien auftreten. Die sonstigen Auswirkungen auf Buchverlage, Buchhandlungen und Druckereien sind noch gar nicht absehbar.

Im Internet heißt das Hauptproblem bezahlte Inhalte. Die meisten Online-Angebote der Verlage sind defizitär, weil sie umsonst zu haben sind. Mit Werbung allein werden die Kosten dauerhaft nicht zu decken sein, aber die Bereitschaft der Nutzer, für Inhalte zu bezahlen, ist nach wie vor gering. Hohe Profite erzielen hingegen weltweit agierende US-Konzerne, wie Google, eBay oder Amazon. Sie bewegen sich allerdings auf Geschäftsfeldern, die eher medienfern angesiedelt sind (Handel, Preisvergleiche, Netzwerke). Diejenigen deutschen Medienkonzerne, die stark aufs Internet setzen (insbesondere Holtzbrinck, Axel Springer und Burda) verlegen den Schwerpunkt ihrer Online-Aktivitäten ebenfalls hierhin.

Derzeit versuchen die großen US-Internetkonzerne (Google, Apple, eBay, Amazon, Microsoft), sich auf Medienmärkten festzusetzen – auch in Deutschland. Amazon hat sich im März 2011 ein Monopol bei Online-Antiquariaten verschafft und ist ins Buchgeschäft eingestiegen, Google betreibt Nachrichten-Sammelportale. Diese Unternehmen verfügen über schier unbegrenzte Finanzmittel. Deshalb könnten sie in den kommenden Jahren die Strukturen in der deutschen Medienwirtschaft stärker verändern, als man sich das gegenwärtig vorzustellen vermag. Wie sich dadurch das Geschäft mit redaktionellen Inhalten verändern wird, ob die Phalanx des deutschen Medienkapitals durchbrochen werden wird, ist offen.

Gert Hautsch ist Medienforscher, Mitglied im Ver.di-Fachgruppenvorstand Frankfurt und verfaßt vierteljährlich Berichte über die Situation der deutschen Medienwirschaft.

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